Schadensersatz wegen Selbstanzeige durch Steuerberater?

Eine mit dem Mandanten nicht abgesprochene Selbstanzeige durch den Steuerberater bzw. Rechtsanwalt führt nicht zu einem ersatzfähigen Schaden beim Mandanten. Zwar verletzt nach Ansicht des BGH der steuerrechtliche Berater seine Pflichten aus dem Dienstleistungsvertrag mit seinem Mandanten. Die Steuerfestsetzung samt Zinsen stellt aber keinen ersatzfähigen Schaden dar. Sie kann nur einen ersatzfähigen Schaden darstellen, wenn der Steuernachteil auf rechtlich zulässigem Wege vermeidbar gewesen wäre. Der Steuervorteil sei aber rechtswidrig erlangt worden, weshalb die Festsetzung rechtmäßig sei und keinen Schaden darstellen könne.

Was war geschehen?

Die Klägerin, Apothekeninhaberin, hatte in den Jahren 2007 bis 2012 monatliche Zahlungen in Höhe von 1.500 € an ihren Lebensgefährten zu zahlen. Er war Rechtsanwalt und ist inzwischen verstorben. Die Zahlungen gab die Klägerin fälschlicher Weise als Rechtsanwaltsberatungshonorar an, wodurch sie Steuern in erheblichem Umfang hinterzog. Ende des Jahres 2012 wurde sie von dem zuständigen Finanzamt geprüft, ohne dass Unregelmäßigkeiten aufgedeckt wurden.

Im Jahre 2014 beauftragte die Klägerin den beklagten Rechtsanwalt, für sie eine Selbstanzeige vorzubereiten. Der Inhalt wurde abgesprochen; das Absenden bedurfte eines Einverständnisses durch die Klägerin. Aufgrund eines kanzleiinternen Versehens wurde die Selbstanzeige ohne das Einverständnis versandt. Das Steuerstrafverfahren wurde aufgrund der strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt; die Klägerin hatte aber Zahlungen in Höhe von 71.788,61 € zu tätigen.

Diesen Betrag forderte die Klägerin vom Beklagten im Wege einer Klage. Das LG und das OLG wiesen die Klage ab. Daher ersuchte die Klägerin Rechtsschutz durch die Revision zum BGH.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigte die Vorinstanzen und wies die Revision mit Urteil vom 09.11.2017, Az.: IX ZR 270/16 zurück.

Der Rechtsanwalt habe die ihm obliegenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Ohne die Erlaubnis der Klägerin durfte er die Selbstanzeige nicht versenden. Ein Rechtsanwalt, wie auch ein Steuerberater, ist grundsätzlich verpflichtet, den Weisungen seiner Mandanten Folge zu leisten, § 675 in Verbindung mit § 665 BGB. Durch das Abweichen verletze er eine Pflicht aus dem Anwaltsvertrag, welche ihn grundsätzlich schadensersatzpflichtig mache. Dabei könne der Beauftragte von den Weisungen abweichen, §§  675 Abs. 1 665 BGB, wenn der Auftraggeber in Kenntnis der Sachlage dies billigen würde, weil ihm trotz äußerlich dem Auftrag entsprechende Weisung durch das blinde Folgeleisten eben dieser ein Nachteil entstehen würde. Das Abweichen sei dem Mandanten aber anzuzeigen und seine Entscheidung abzuwarten.

Der Rechtsanwalt/Steuerberater trage für seine Kanzlei und den Arbeitsablauf die Verantwortung. Damit trifft ihn ein Organisationsverschulden. Insofern sei ihm auch ein versehentliches Inverkehrbringen vorzuwerfen, wenn in seinem Namen etwas absprachewidrig versendet wird. Da die vorige Untersuchung bei der Klägerin keine Auffälligkeiten ergeben hat, könne das Absenden auch nicht dem mutmaßlichen Interesse der Klägerin entsprechen. Daher sei das versehentliche Versenden nicht ausnahmsweise gerechtfertigt.

Der Klägerin sei aber kein ersatzfähiger Schaden nach den §§ 249 ff. BGB entstanden. Zwar sei ein Schaden durch die Selbstanzeige entstanden. Ohne die Anzeige hätte die Klägerin den Betrag nämlich nicht zahlen müssen. Dieser Schaden sei aber einer normativen Wertung zu unterziehen. Dies habe eine fehlende Ersatzfähigkeit des Schadens zur Folge. Ein Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position könne nur dann ersatzfähig sein, wenn ein Anspruch darauf bestand. Ein Rechtsstreit, der zu Recht verloren ging, ist daher kein ersatzfähiger Schaden, auch wenn  sich herausstellt, dass der Streit bei sachgerechter Vertretung gewonnen worden wäre, da kein Anspruch auf den Vorteil bestehe.

Ein entgangener Steuervorteil sei nur ein Schaden, wenn er rechtmäßig und unter Beachtung gesetzlicher Verbote und der guten Sitten erlangt worden wäre.  In diesem Zuge komme es auch nicht auf die zeitweise Ansicht der Steuerbehörden an, da durch eine fiktive Entscheidung kein schutzwürdiger Besitzstand begründet würde. Auf den Steuervorteil habe die Klägerin keinen Anspruch, da sie ihn rechtswidrig unter Angabe einer falschen Zahlungsbezeichnung erlangt habe.

Darüber hinaus verpflichte der Anwaltsvertrag den Anwalt nur innerhalb der Rechtsordnung tätig zu werden. Insbesondere darf er nicht gegen diese verstoßen, indem er Tatsachen gegenüber den Behörden verschweigt, nur damit der Mandant einen Vorteil gewinnt. Der Vertrag könne auf die Vermeidung von Straftaten gerichtet sein, nicht aber darauf, die Früchte einer solchen Tat zu sichern. Insofern hätte der Beklagte einem Verlangen der Klägerin, die an ihren Mann geleisteten Darlehensraten gewinnmindernd als Anwaltshonorar abzusetzen, nicht folgen dürfen, wenn er bereits zu dieser Zeit als ihr Anwalt tätig gewesen wäre.  Es hätte gar ein Mitwirkungsverbot bestanden. Daher könne ein schutzwürdiges Interesse auf Schadensersatz nicht bestehen, wenn durch fahrlässige Pflichtverletzung des Anwalts eine dem Mandanten vorwerfbare Steuerhinterziehung aufgedeckt würde, auch wenn der Zweck des Mandats Schutz vor der Strafverfolgung sei.

Resümee

Die Entscheidung des BGH zeigt, dass die Grenze der steuerberatenden Tätigkeit in der Rechtsordnung selbst liegt. Der Beratende darf nicht die rechtswidrigen Steuervorteile zu sichern versuchen, auch wenn das dem Wunsch und den Weisungen der Mandanten entspricht. Er darf dann von den Wunsch dem Sinn des Auftrages entsprechend abweichen und den Schutz vor der Strafverfolgung anstreben, nachdem er Rücksprache mit den Mandanten hielt. Sonst verhält er sich vertragsbrüchig. Dass eine fahrlässige Selbstanzeige keinen ersatzfähigen Schaden verursachen kann, wiederholt der BGH lediglich, da nur ein schutzwürdiges Interesse an einem Vorteil nach dem Gesetz selbst bestehen kann, wenn dieser rechtmäßig gewonnen wurde. Schutz vor Strafverfolgung heißt eben nur Vermeidung der Begehung von Straftaten und Schutz vor Strafverfolgung im Rahmen der Rechtsordnung, nicht aber Verschleierung der Tat und Sicherung der rechtswidrig erlangten Vorteile.

Interessant wäre die Konstellation, wenn die Selbstanzeige vorsätzlich entgegen der Absprache versendet werden würde. Hier will der Berater den Vermögensnachteil für den Mandanten gerade herbeiführen. Dadurch könnte das Interesse des Mandanten, nicht entdeckt zu werden, höher gewichtet werden, wodurch eine Schadensersatzpflicht durchaus denkbar wäre.