Straftat oder „bloße“ Pflichtverletzung
Kann es eine Straftat sein, wenn ein Notar weniger als die gesetzlich festgeschriebenen Gebühren verlangt? – Ja, sagt der Bundesgerichtshof (BGH).
In seinem Urteil vom 22. März 2018 (5 StR 566/17) hat der 5. Senat des BGH festgestellt, dass ein Notar, der seine Gebühren unterhalb der gesetzlichen Pflichten gem. § 17 Abs. 1 BNotO erhebt, sich wegen Bestechlichkeit im Amt nach § 332 StGB strafbar machen kann, wenn er – wie im vom BGH entschiedenen Fall – im Gegenzug weitere Beurkundungsaufträge versprochen bekommt.
Der Sachverhalt
Der zu entscheidende Fall hatte eine in der Immobilienwirtschaft nicht unübliche Praxis zum Gegenstand. Der Notar vereinbarte mit einem Immobilienkaufmann für diesen regelmäßig die notarielle Beurkundung von diversen Verträgen. Der Immobilienkaufmann sollte für jede Beurkundung die Hälfte der gesetzlichen vorgeschriebenen Gebühren zahlen. Im Gegenzug stellt er dem Notar weitere Beurkundungsaufträge in Aussicht, die in der Folge auch tatsächlich abgewickelt wurden.
Das Landgericht sprach den Notar aus Rechtsgründen frei. Die Staatsanwaltschaft ging hiergegen in Revision, in der der BGH zu einem anderen Ergebnis kam.
Die rechtliche Würdigung
§ 17 BNotO verpflichtet Notare die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren zu erheben und gestattet eine Abweichung nur in wenigen Ausnahmefällen, von denen im vorliegenden Fall keiner einschlägig ist. Es handelt sich um eine zwingende Gebührenvorschrift. Ein Verstoß hiergegen stellt eine Pflichtverletzung dar, ist aber für sich genommen nicht strafbar.
Wenn man die Unterschreitung jedoch im Gegenzug für zukünftige Aufträge gewährt, ist an den Straftatbestand der Bestechlichkeit nach § 332 StGB zu denken. Danach ist ein Amtsträger strafbar, der bei Diensthandlungen seine Dienstpflichten verletzt und sich hierfür einen Vorteil versprechen lässt oder annimmt, § 332 Abs. 1 StGB.
Unproblematisch ist hier die Amtsträgereigenschaft. Notare sind Träger eines öffentlichen Amtes gem. § 1 BNotO und § 11 Abs. 1 Nr. 2 b StGB. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie das Notariat hauptberuflich („Nur-Notare“) oder neben der Anwaltstätigkeit (sog. „Anwaltsnotare“) ausüben.
Anspruchsvoller ist dem gegenüber die Frage nach der Dienstpflicht und deren Verletzung. Der BGH stellt fest:
Der Notar ist – verfassungs- und europarechtskonform – gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO zur Erhebung der gesetzlichen Gebühr amtlich verpflichtet. Durch diese Amtspflicht soll namentlich verhindert werden, dass es zu einem Verdrängungswettbewerb unter den Notaren kommt; die Vorschrift bezweckt die Sicherung einer funktionsfähigen Rechtspflege, indem leistungsfähige Notariate und die Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen gesichert werden.
Nach dem BGH handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Notars, ordnungsgemäß und rechtmäßig abzurechnen. Es ist daher eine Diensthandlung. Der die gesetzlichen Gebühren unterschreitende Notar handelt daher pflichtwidrig und verletzt seine Dienstpflichten.
Schließlich muss noch die Frage beantwortet werden, ob die zukünftigen Beurkundungsaufträge auch Vorteile im Sinne des § 332 StGB sind. Der BGH hierzu:
Ein Vorteil im Sinne der Bestechungsdelikte ist jede Leistung, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert.
Er kann auch im Abschluss eines Vertrages mit dem Amtsträger bestehen, auf den dieser keinen Anspruch hat. Nach diesen Grundsätzen liegt ein Vorteil auch in der Erteilung eines Beurkundungsauftrags, auf die der Notar keinen Rechtsanspruch hat. Dies war vorliegend nach der Anklage der Fall.
Im Ergebnis hat sich der Notar damit der Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Anmerkung
Dass der Notar ein Amtsträger ist und seine Verpflichtung zur Erhebung von gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren nicht in seinem Ermessen steht, ist verständlich. Komplizierter ist die Frage, ob dies eine strafbewehrte Dienstpflichtverletzung darstellen kann. Der BGH stellt, mit Blick auf die weiteren Normen in diesem Zusammenhang (§§ 331 ff. StGB), auf das geschützte Rechtsgut ab. Nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung sind die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes, die Gewährleistung der Sachbezogenheit und der Unparteilichkeit mithin die Funktionsfähigkeit der staatlichen Verwaltung geschützt. Konkret findet dies hier Ausdruck in der Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs zwischen den Notaren.
Daran kann man jedoch zweifeln. Denn allein aus der Tatsache, dass man bereits ist, bei größeren Aufträgen Rabatte zu gewähren, folgt nicht zwingend eine unsachliche Amtsführung. Auch erscheint es nicht zwingend, dass die Unterschreitung von Gebühren zu einem ernstzunehmenden Verdrängungswettbewerb führt.
Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es hier nicht um eine konkrete Gefahr geht. Die §§ 331 ff. StGB, zu denen auch die Bestechlichkeit gehört, stellen abstrakte Gefährdungsdelikte dar. Es kommt gerade nicht darauf an, dass konkret ein Verdrängungswettbewerb gegeben ist oder eine parteiliche Amtsführung vorliegt. Allein die Möglichkeit ist ausreichend. In Verbindung mit einer Vorteilsgewährung durch versprochene zukünftige Aufträge erfüllt der Notar dann die Tatbestandsvoraussetzungen der Bestechlichkeit. Das hat erhebliche Konsequenzen. Neben der strafrechtlichen Verfolgung können berufsrechtliche Maßnahmen folgen, bis hin zum Amtsverlust.
Dass der Notar daher immer die gesetzlichen Gebühren erhebt, ist gut so und auch vollkommen verständlich.