Oft können gerade die große Vorhaben an kleinen Dingen scheitern. So ein kleines Ding kann etwa das Formerfordernis des eingeschriebenen Briefs sein. Die Frage, ob ein Einwurf-Einschreiben ein eingeschriebener Brief ist, stellte sich im Rahmen eines Prozesses wegen einer angestrebten Kaduzierung von Geschäftsanteilen einer GmbH nach § 21 Abs. 2, 3 GmbHG. Die Kaduzierung, also die Einziehung der Geschäftsanteile, wurde gegenüber einem Gesellschafter durch die verbleibenden Gesellschafter einer GmbH betrieben, nachdem ersterer seiner Einlagepflicht nicht nach kam. Für eine wirksame Kaduzierung nennt das Gesetz als Formvorgabe die Übermittlung per eingeschriebenen Brief. Die Gesellschafter entschieden sich für ein Einwurf-Einschreiben. Ob das ausreicht musste in letzter Instanz der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 27.09.2016, Az.: II ZR 299/15 entscheiden.
Wo und was ist das Problem?
Das GmbHG kennt an drei Stellen, genauer in den § 21 Abs. 1 und Abs. 2, § 27 Abs. 1 und § 51 Abs. 1 den eingeschriebenen Brief als vorgeschriebenen Weg der Information über bestimmte Vorgänge. Die Formulierung „eingeschriebener Brief“ ist so alt wie das GmbHG. Dieses wurde am 20.04.1892 ausgefertigt. Zwischenzeitlich haben sich die Zeiten im postalischen Zustellungswesen geändert. Die Post ist schon lange keine Behörde mehr, die Postboten keine Beamte und ein eingeschriebener Brief wird von der deutschen Post in fünf verschiedenen Varianten angeboten.
Dies berücksichtigend ist es nicht überraschend, dass irgendwann die Frage, ob ein Einwurf-Einschreiben ein eingeschriebener Brief ist, höchstrichterlich geklärte werden musste.
Wie ist der BGH damit umgegangen?
Mit einer anschaulichen Herleitung geht der BGH zunächst auf die zu dieser Frage veröffentlichten Literatur ein und stellt kenntnisreich fest, dass diese uneinheitlich ist. Einige Autoren wären der Meinung bei einem eingeschriebenen Brief im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG muss es sich um ein Übergabe-Einschreiben handeln, andere hielten das 1997 eingeführte Einwurf-Einschreiben für ausreichend. Dies vorangestellt schaut sich das BGH die Geschäftsbedingungen der Post an (AGB BRIEF NATIONAL, Stand 01.01.2016) und stellt fest, dass
dabei unter „Einschreiben“ das einfache Übergabe-Einschreiben verstanden wird, welches noch zusätzlich mit der Option „Rückschein“ und/oder „Eigenhändig“ kombiniert werden kann. Bei der Übermittlungsart „Einschreiben Einwurf“ wird der Begriff des „Einschreibens“ als Oberbegriff verwendet und der Zusatz „Einwurf“ lediglich als Unterscheidungszusatz angefügt.
Diese Erkenntnis wird nun mit dem gesetzgeberischen Willen verglichen, der bei der Entstehung des GmbHG in dieser Frage noch nicht so differenziert vorlag. Immerhin:
Im Zeitpunkt der Einführung des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG im Jahr 1892 gab es nur das Übergabe-Einschreiben. Der historische Gesetzgeber hat sich folglich nicht mit der Frage befasst, ob auch andere Formen des Einschreibens von der auszulegenden Norm erfasst werden sollen.
Also macht sich der BGH an die weitere Gesetzesauslegung. Hierbei hebt er hervor, dass der Gesetzgeber die postalische Neuordnung durch die Einführung des Einwurf-Einschreibens vor rund 20 Jahren nicht zum Anlass genommen hat, das Gesetz sprachlich anders zu fassen und stellt im Weiteren insbesondere auf den Zweck der Regelung ab. Dieser ist die Zugangssicherung und die Sicherung der Beweisführung. Im Vergleich zwischen Einwurf-Einschreiben und Übergabe-Einschreiben ist ersteres dem letzteren gegenüber in dieser Beziehung mindestens gleichwertig.
Anschaulich stellt der BGH sodann dar, dass der Empfänger des Übergabe-Einschreibens den Zugang mindestens so gut wie der Empfänger des Einwurf-Einschreibens vereiteln kann. Gleichzeitig ist der (Anscheins-)Beweis über die Zustellung bei beiden möglich. Daher besteht nach Sinn und Zweck der Regelung kein Bedarf, für einen eingeschriebenen Brief im Sinne des GmbHG ein Übergabe-Einschreiben zu verlangen.
Damit steht nun höchstrichterlich fest, dass als eingeschriebener Brief im Sinne des GmbHG heutzutage ein Einwurf-Einschreiben ausreicht.
Praxishinweis:
Mit dieser Erkenntnis kann man sich also bequem die höheren Gebühren des Übergabeeinschreibens sparen. Aber Achtung: Sowohl das Einwurf-Einschreiben, als auch das Übergabe-Einschreiben können bestenfalls den Zugang eines Umschlags an die angegebene Adresse nachweisen. Der Inhalt des Schreibens ist damit noch nicht bewiesen. Vorsorglich sollte man einen Zeugen für den Versandt des Schreibens hinzuziehen.