Ein Schauspiel in mehreren Akten
– geschildert aus meiner subjektiven Sicht –
Die Bühne war bereitet. Das Drehbuch stand. Allein, es kam anders als geplant. Aber der Reihe nach.
Am 23.03.2018 fand die Kammerversammlung der RAK Sachsen im Großen Saal des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig statt. Ein wahrlich beeindruckender und herrschaftlicher Saal. Er gab die Bühne für ein denkwürdiges Schauspiel in mehreren Akten, an dessen (vorläufigen) Ende die Kammer von ihren Mitgliedern den Auftrag zur Aufklärung und Fortentwicklung in Sachen beA bekam.
Erster Akt
Da der Präsident der Kammer, Rechtsanwalt Dr. Haselbach, erkrankt war, übernahm der Vizepräsident, Rechtsanwalt Gross, die Versammlungsleitung und damit die Regie. Der Tagesordnung als Spielplan folgend, wurden wichtige Akteure und Komparsen begrüßt. So wurde dem erwartungsvollen Publikum, was in dieser Darbietung noch seinen Anteil an der Dramaturgie bekommen sollte, die Anwesenheit des Herrn Rechtsanwalt Dr. Abend, seines Zeichens ebenfalls Vorstandsmitglied der RAK Sachsen zugleich 1. Vizepräsident der BRAK und Verantwortlicher für die Einführung und Umsetzung des beA verkündet. Ihm zur Seite stand der IT-Referenten der BRAK, Herr Hannes Müller. Dieser nahm wohl als Gast an der Versammlung teil.
Bevor es aber zum vermeintlichen Höhepunkt des Nachmittags, also zum beA kam, wurden die weiteren Förmlichkeiten abgehandelt. Der Hausherr, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Rennert, fand lobende Worte für die ihm bei seinem Gericht bekannten Anwälte und mahnte den Schutz der verkammerten Berufe an. Der Einstieg war wohl gewählt, respektvoll und motivierend. Es sah nach einem vorhersehbaren Stück aus.
Dies änderte sich auch nicht, als Robert Bey, Abteilungsleiter im Sächsischen Justizministerium, das Wort zur Begrüßung ergriff. Die einzige Überraschung war, dass er es war, der redete und nicht der Justizminister selbst. Dieser konnte der Einladung nicht folgen; dringende Regierungsgeschäfte. Seine Stellvertreterin, die Staatssekretärin, war erkrankt. Das Publikum konnte die Auswechselung des darstellenden Personals verkraften. Für die Dramaturgie wurde das Grußwort nicht relevant.
Der erste kleine Höhepunkt hätte der Jahresbericht des Präsidenten und die folgenden Aussprache werden können. Gemäß der geänderten Rollen durch den krankheitsbedingten Ausfall des Präsidenten, fasste Rechtsanwalt Gross die Tätigkeiten des letzten Jahres zusammen. Doch wer hoffte, das Thema des Tages, also die Tragödie um das beA, könne schon jetzt aufgegriffen werden, wurde enttäuscht. Herr Rechtsanwalt Gross bat, dies dem zweiten Akt vorzubehalten. Daher schloss der erste Akt mit einer Verabschiedung zu Pause.
Zweiter Akt
Nun also sollte es soweit sein. Das beA durfte zum Thema werden. Es betrat die Bühne und sollte aus verschiedenen Ecken ausgeleuchtet werden. Der Regie in Gestalt der Versammlungsleitung lagen zu diesem Zeitpunkt schon Plot-Erweiterungen durch zwei weitere Anträge zum beA vor. Neben dem Antrag des Kollegen Dr. Braun hatte auch ich einen Antrag mit zwei Teilen eingereicht. Darüber hinaus gab es einen Antrag eines Kollegen, auf den später noch zu sprechen sein wird.
Den Anfang machte Kollege Dr. Braun. Er stellte seine Anträge lebhaft und begründet vor. Er machte deutlich, warum die Aufklärung so wichtig ist. Aus seiner Sicht gab es keine ordnungsgemäße Vergabe des Projekts. Er fragte, ob die Grundsätze der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung eingehalten waren und forderte die Prüfung von Regressansprüchen. Hierauf aufbauend zeichnete er den Handlungsstrang für die Aufführung im nächsten Jahr. Mit seinem Antrag habe der Vorstand bei der BRAK nachzuschauen, aufzuklären und zu prüfen um dann spätestens im nächsten Jahr die Geschichte des beA hinsichtlich seines Entstehens, des Betriebes und der Finanzierung zu erzählen. Sein Ziel war es, eine Grundlage zu schaffen, damit die Versammlung informiert entscheiden könne.
Es hätte hier schon schneller gehen können. Doch Dr. Abend nutzte die Möglichkeit der Erwiderung um sein Zwischenstück aufzuführen. Die eigentliche Frage, nämlich das Akteneinsichtsrecht der RAK bei der BRAK war schnell positiv beantwortet. Dabei wollte es Dr. Abend aber nicht bewenden lassen. Er führte umfänglich seine Perspektive zum beA aus. Viele Aspekte bekamen ihren Raum, ohne dass sie zu den aufgeworfenen Fragen des Antrags des Kollegen Dr. Braun passten. Als Dr. Abend sich aufschwang zur Thema Open-Source zu reden, musste ich die Aufführung stören. Open-Source war Gegenstand meines Antrages. Dieser Teil des Drehbuchs war schon geändert. Diesen Teil durfte ich bespielen. So endete der erste Teil im zweiten Akt mit der Verteidigungsrede des Herrn Kollegen Dr. Braun. Die Abstimmung über seinen Antrag, über den nach seinem Willen in drei Teilen abgestimmt wurde, endete jeweils mit deutlicher Zustimmung. Der erste Spannungsbogen war bewältigt.
Nun kam es zum zweiten Teil im zweiten Akt. Es war Zeit meine Anträge, die mit einer schriftlichen Begründung zu Protokoll gegeben wurden, vorzustellen. Und tatsächlich wurde es noch einmal spannend. Nicht nur wegen der Abstimmung. Auch der Weg dorthin bot einiges.
Mein erster Antrag entsprach dem bereits in der Versammlung der RAK Berlin, erfolgreichen Tranzparenzantrag. Es ging um die Verpflichtung der Kammer, darauf hinzuwirken, den Code des beA als Open-Source zu veröffentlichen, vollständige Audits durchzuführen, eine echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung herzustellen, offene Schnittstellen und historische Störungsmeldungen zur Verfügung zu stellen sowie alle gängigen aktuellen Betriebssysteme zu unterstützen. Im zweiten Antrag wurde die RAK aufgefordert darauf hinzuwirken, dass die BRAK das beA in ein dezentrales System umbaut.
Diese zugegeben sehr techniklastigen Anträge stießen auf Fragen und (technisches) Unverständnis. Eine Kollegin gab zu bedenken, dass sie keinem Antrag zustimmen könne, den sie nicht verstehe. Das ist insoweit verständlich, als dass man berechtigter Weise nur informiert entscheiden sollte. Allerdings stellt sich die Frage, wie in der Vergangenheit für das beA gestimmt werden konnte. Den offensichtlich hat man da auch nicht alles verstanden. Auch waren meine Anträge auf ein Wirken der Kammer gerichtet. Es geht also darum, von Seiten der RAK Sachsen die (Weiter-)Entwicklung des beA entsprechend zu beeinflussen. Welche Ergebnisse dies haben wird, bleibt offen. Spätestes als ich nach einigem Hin und Her von einem Vorstandsmitglied die Aufforderung erhielt, meinen zweiten Antrag zurückzuziehen (!), drehte sich, wie ich später erfuhr, der Wind. Selbstverständlich nimmt man seinen eigenen Antrag nicht zurück. Dafür stellt man ihn zur Abstimmung. Und diese war erfolgreich. Der erste Antrag wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Der zweite war knapper, konnte aber auch seine Mehrheit finden.
Im Ergebnis hat die Versammlung der Kammer zu beiden Anträgen den Auftrag erteilt zu handeln. Als Beispiel kann die RAK Berlin dienen.
Aber damit war die Sache noch nicht vorbei. Der zweite Akt bekam eine Pause. Die Fortsetzung, mit dem weiteren Antrag als dritten Teil, sollte folgen. Doch daraus wurde nichts. Die Pause endete, die Versammlung betrat den Saal und der Sitzungsleiter verkündete das Ende der Veranstaltung. Man habe mitgeteilt bekommen, dass der angemietete Zeitraum verstrichen sei. Die Versammlung müsse daher unterbrochen und an einem neuen Termin fortgesetzt werden. Damit konnte der Misstrauensantrag*, der bereits an die Leinwand projiziert wurde, weder gestellt noch diskutiert werden. Auch eine Abstimmung war so unmöglich. Das war nicht nur für den Antragsteller frustrierend.
Wie es weiter geht? Wir werden sehen. Die Kammerversammlung 2018 ist noch nicht vorbei. Fortsetzung folgt.
tl;dr
Die Versammlung der RAK Sachsen hat mit großer Mehrheit eine komplette Offenlegung des beA-Desasters beschlossen. Auch Reformbemühungen zu einem dezentralen System wurden unterstützt. Ein Handlungsauftrag für den Kammervorstand liegt vor. Die Frage nach personellen Konsequenzen konnte nicht einmal richtig gestellt werden, bevor der Vorhang fiel. Eine Fortsetzung ist unvermeidbar.
Für einen anderen Blick auf die Ereignisse empfehle ich den Beitrag des Kollegen Dr. Papenmeier.
* Nachtrag: 26.03.2018, 13:50
Der Misstrauensantrag stammt von Rechtsanwalt Posner. Den Antrag mit seiner Begründung, wie er der Versammlungsleitung vorgelegt wurde, finden Sie hier.