Zum Recht der Kritik des Arbeitgebers am Betriebsrat

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat, der sich in seinem Unternehmen gegründet hat, akzeptieren. Er hat dessen besonderen Privilegien zu beachten. So darf sich der Arbeitgeber grundsätzlich nicht einfach in die Wahl des Betriebsrates einmischen. Konkret ist es ihm nach § 20 Abs. 2 BetrVG verboten, die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen zu beeinflussen. Aber verbietet diese Norm dem Arbeitgeber jede Art von Kritik am bestehenden Betriebsrat oder einzelner seiner Mitglieder?

Diese Frage hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Entscheidung vom 25.10.2017, 7 ABR 10/16 zu entscheiden.

Grundlage der Entscheidung war das Bestreben die Betriebsratswahl vom 05.05.2014 nach § 19 Abs. 1 BetrVG, anzufechten. Vorangegangen waren durchaus als kritisch bewertbare Aussagen von Seiten des Arbeitgebers. So hat ein Personalleiter Mitte September 2013 in einer von der Geschäftsleitung initiierten Veranstaltung kund getan, die damalige Betriebsratsvorsitzende behindere die Arbeit des Unternehmens. Und auf Nachfrage aus der Belegschaft empfahl er für die kommende Betriebsratswahl die Aufstellung einer „gescheiten Liste“. Ergänzend hierzu habe der damalige Geschäftsführer ebenfalls die anwesende Belegschaft aufgefordert einen geeigneten Kandidaten zu finden. In einer späteren Veranstaltung im Oktober habe abermals der Personalleiter gegenüber den Mitarbeitern geäußert, dass jeder, der seine Stimme bei den Betriebsratswahlen der amtierenden Betriebsratsvorsitzenden geben „Verrat“ begehe.

Während das Landesarbeitsgericht (LAG) hierin noch eine unberechtigte Einflussnahme auf die Betriebsratswahl sah, da nach seiner Ansicht der Arbeitgeber einer strikten Neutralitätspflicht unterliegt, schloss sich das BAG dieser Sichtweise nicht an und sah im Ergebnis keinen Grund die Betriebsratswahl zu annulieren.

Tatsächlich ist die Frage, ob in solcherlei Äußerungen eine unberechtigte Einflussnahme besteht, in der Fachliteratur umstritten. Das BAG hat sich den Wortlaut der Norm genauer angeschaut. § 20 Abs. 2 BetrVG lautet:

Niemand darf die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen.

Darauf aufbauend erkannte es messerscharf, dass die Beeinflussung durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen müsse. Schutzgut der Norm sei die Willensbildung der Wahlberechtigten im Rahmen der Verbotenen Vor- und Nachteile. Der Schutz sei also nicht grenzenlos. Eine Ausdehnung auf ein striktes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen würde auch zu keinen sinnvollen, rechtssicher handhabbaren Ergebnissen führen. Denn in diesem Fall wäre die Wahl einem sehr hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt.

Die geäußerte Kritik am bestehenden Betriebsrat und der amtierenden Betriebsratsvorsitzenden stelle weder die Drohung mit einem Nachteil noch die Gewährung eines Vorteils dar. Insbesondere sei aus Sicht des BAG die Äußerung, eine Stimme für die amtierenden Betriebsratsvorsitzenden stelle einen Verrat dar, kein Nachteil. Dies folgt auch nicht aus einer allgemeinen Erwägung, wie sie das LAG vorgenommen hat.

Die Aussage des Personalleiters ist erkennbar überzeichnet, die – hineininterpretierte – Drohung ist unbestimmt. Aufgrund des Wahlgeheimnisses wäre ein „Verrat“ durch bestimmte Arbeitnehmer, die Nachteile befürchten müssten, nicht feststellbar.“

so das BAG und führt weiter aus:

„Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Personalleiter […] und der damalige Geschäftsführer […] hätten auf dem [Treffen Mitte September] darauf hingewirkt, […] den Betriebsrat [nicht mehr] zu wählen, fehlt es an Feststellungen zur Androhung von Nachteilen oder zum Versprechen von Vorteilen für bestimmte Arbeitnehmer […]. Allein die Anregung, eine alternative, möglicherweise „arbeitgeberfreundliche“ Liste aufzustellen und das gezielte Werben um eine Kandidatur auf dieser Liste erfüllt noch nicht die Voraussetzungen einer verbotenen Wahlbeeinflussung iSv. § 20 Abs. 2 BetrVG.“

 

Anmerkung:

Die Entscheidung des BAG ist auf Grundlage des geltenden Rechts, aber auch aus pragmatischen Gesichtspunkten heraus richtig. Der Gesetzgeber hat klare Vorgaben gemacht, wann er eine Betriebsratswahl für beeinflusst und damit anfechtbar hält. Ziel ist es, bestimmte, besonders verwerfliche Einflussnahmen auf die Betriebsratswahl zu verhindern. Dem Arbeitgeber soll es aber unbenommen bleiben, seine Sicht der Dinge darzustellen und damit auf die Wahlentscheidung Einfluss zu nehmen. Eine allgemeine Neutralitätspflicht oder ein Gebot der besonderen Zurückhaltung existiert nicht. Sie wäre auch mit Blick auf die berechtigten unternehmerischen Interessen des Arbeitgebers nur schwer begründbar. Und wie das BAG anmerkt, würde dies zu einem hohen Anfechtungsrisiko der Betriebsratswahl führen. Ein Ergebnis, was nicht erwünscht sein kann.

Ob es auf der anderen Seite glücklich und sinnvoll ist, an dem bestehenden Betriebsrat und der amtierenden Betriebsratsvorsitzenden auf der benannten Weise Kritik zu üben, bleibt offen. Nicht nur, dass dies den Betriebsfrieden nachhaltig stören kann. Auch besteht das Risiko, dass sich durch die Kritik erst Recht ein Großteil der Belegschaft hinter die aus Sicht der Unternehmensleitung störenden Betriebsratsmitglieder versammelt.